Herausforderungen für die fünfte Schweiz

Der Präsident der Auslandschweizer-Organisation, Remo Gysin, sagt, welche Probleme die Auslandschweizer beschäftigen und was die Schweiz für ihre Bürger im Ausland tun sollte.

Auslandschweizer beim Kongress der Auslandschweizer-Organisation in Lugano (2011). Foto: Keystone

Auslandschweizer beim Kongress der Auslandschweizer-Organisation in Lugano (2011). Foto: Keystone

Welches sind die wichtigsten Probleme, mit denen sich Auslandschweizer konfrontiert sehen?
Die Sprache, die Kultur und fremde Amtsstellen können beim Auswandern Probleme bereiten. Einmal im Ausland angekommen, gibt es häufig Schwierigkeiten, weiterhin gegen Krankheit versichert zu sein oder rechtzeitig die Abstimmungsunterlagen zur Wahrnehmung der politischen Rechte zu bekommen. Für manche ist auch der Weg zu konsularischen Diensten mühsam, von denen in letzter Zeit ohnehin einige geschlossen wurden. Und dann wird es für Auslandschweizer immer schwieriger, ihr Schweizer Bankkonto zu behalten oder ein neues zu eröffnen.

Warum?
Weil viele Schweizer Banken Auslandschweizer wie Risikokunden behandeln. Sie fordern hohe Gebühren oder Mindesteinlagen von bis zu 100'000 Franken.

Es gibt Auslandschweizer, die sich vor ihrer Abreise das Pensionskassenguthaben auszahlen lassen, es im Ausland verjubeln und dann in die Schweiz zurückkommen, um Sozial– oder Ergänzungsleistungen zu beziehen. Was sagen Sie dazu?
Ich beobachte eher das Gegenteil: Viele Auslandschweizer mit geringer Rente fallen dem Sozialstaat nicht zur Last, weil sie im Ausland leben und ihnen dort das Geld reicht. In der Schweiz hingegen müssten sie unter Umständen unterstützt werden. Im Übrigen hat jemand, der aus dem Ausland zurückkehrt, dieselben Rechte wie jeder andere Einheimische auch.

Was fordert die Auslandschweizer-Organisation (ASO) von der Schweizer Politik?
Sie informiert, berät, vernetzt und vertritt die Auslandschweizerinnen und -schweizer. Zur Erfüllung dieser Aufgaben brauchen wir Unterstützung, insbesondere jene des Bundes. Zurzeit wehren wir uns gegen einschneidende Sparanträge, die etwa die «Schweizer Revue», das wichtigste Verbindungsinstrument zu den Auslandschweizern, betreffen. Ausserdem fordern wir den Erhalt und Ausbau des für Auslandschweizer sehr wichtigen konsularischen Netzes. Bund und Kantone sind dringend gebeten, ein umfassendes E-Voting-System zu realisieren. Weitere Begehren betreffen Verbesserungen in den Bereichen AHV, IV und Krankenversicherungen.

Mit Remo Gysin sprach Sandro Benini

Tagung des Auslandschweizerrats in Bern (2013 ). Foto: Keystone

Tagung des Auslandschweizerrats in Bern (2013 ). Foto: Keystone

Wird die Bedeutung der fünften Schweiz gebührend zur Kenntnis genommen?
Die Bedeutung der internationalen Mobilität, das Hauptthema unseres diesjährigen Auslandschweizer-Kongresses, ist als gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Faktor unbestritten. Mit heute über 760'000 Auslandschweizern sind wir auch für die politischen Parteien zu einer interessanten Zielgruppe geworden. Zahlreiche politische Vorstösse in National- und Ständerat unterstützen unsere Anliegen. Wie wertvoll für die Schweiz das weltweite Netz der Ausgewanderten sowie die internationalen Erfahrungen und der Blickwinkel von aussen sind, ist aber noch nicht überall verstanden worden. Die Auslandschweizer-Organisation und ihre Hauptorgane, der Auslandschweizerrat und die Geschäftsstelle in Bern, sind in der Schweiz, aber auch im Ausland zu wenig bekannt. Das 100-Jahr-Jubiläum, das wir am kommenden 5. August in Bern auf dem Bundeshausplatz feiern, ist eine gute Gelegenheit, uns bekannter zu machen.

Welche Parteien sind Ihren Anliegen gegenüber besonders aufgeschlossen?
Alle grossen Parteien – SP, SVP, FDP und CVP – sind im Vorstand und im Auslandschweizerrat vertreten. Dieser umfasst 140 Sitze, davon sind 20 für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz reserviert. Unsere engsten Partner sind das EDA, Swissinfo und Schweiz Tourismus.

Waren Sie selber jemals Auslandschweizer?
Ich war für die schweizerische Katastrophenhilfe 1992 in Zagreb im Einsatz und habe 1994 und 1995 in Slowenien als Unternehmensberater zur Reform der staatlichen Verwaltung beigetragen. In den Vorstand der ASO bin ich während meiner Zeit als Nationalrat gewählt worden.


«Viele Schweizer Banken behandeln Auslandschweizer wie Risikokunden»: Remo Gysin, Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Foto: Keystone

Impressum

Idee und Konzept: Sandro Benini, Vincenzo Capodici
Texte: Sandro Benini, Vincenzo Capodici, Rudolf Wyder, Felix Maise
Fotos und Video: Raisa Durandi, Sabina Bobst, Keystone, Auslandschweizer-Organisation
Interaktive Grafik: Marc Fehr
Produktion: Vincenzo Capodici
Projektleitung: Dinja Plattner

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